COVID-19: Wie krisenfest sind Finanzierungen?

Sehr geehrte Geschäftspartner! Liebe Kunden!

Das Ende des ersten Quartals 2020 war maßgeblich durch ein Thema geprägt: COVID-19. Die Ereignisse sowie die daraus resultierenden Folgen und Maßnahmen sind in einer derartigen Weise noch nie dagewesen und stellen viele von uns vor neue Herausforderungen. Unser Team hat sich auf diese neue Situation bereits frühzeitig vorbereitet und steht Ihnen vollumfänglich und voll handlungsfähig im Rahmen unseres Homeoffice in gewohnter Weise als verlässlicher Partner jederzeit zur Verfügung. In diesem neuen Umfeld unterstützen wir unsere Kunden in sämtlichen Finanzierungsthemen mit unserer langjährigen Erfahrung und unseren krisenerprobten Beratungs- und Dienstleistungen. So konnten wir auch in den letzten zwei Wochen wieder mehrere Transaktionen erfolgreich abschließen. Das Team von Independent Capital verfügt über wertvolle Erfahrung aus früheren Krisen. Mit dieser Erfahrung und Expertise stehen wir gerade jetzt ganz besonders eng und verlässlich an der Seite unserer Kunden und Partner!

Vor dem Hintergrund der veränderten Finanzierungslandschaft haben sich die Transaktionsziele der Unternehmen inner-halb kürzester Zeit signifikant verlagert. Vielfach geht es dabei um rasche Liquiditätsbeschaffung. Durch eine Vielzahl an wirtschaftlichen Förder- und Unterstützungsmaßnahmen wurde versucht, diesem Bestreben Rechnung zu tragen, wobei in der Regel Hausbanken eine tragende Rolle zukommt. Ebenfalls wichtig ist in der aktuellen Situation die Absicherung der bestehenden Finanzierung bzw. gegebenenfalls deren Anpassung. Die Komplexität der nötigen Banken- und Investorengespräche steigt vor allem, wenn die gegenwärtige COVID-19-Krise sich negativ auf bestehende Finanzierungen auswirken kann oder bereits vereinbarte Finanzierungszusagen erneut auf den Prüfstein gelegt werden können. Den vorliegenden Newsletter „COVID-19: Wie krisenfest sind Finanzierungen?“ haben wir daher diesen, für unsere Kunden aktuellen, Themenkreisen gewidmet.

Wir haben diesmal Herrn Dr. Tibor Fabian, Partner der renommierten Rechtsanwaltskanzlei BINDER GRÖSSWANG, zu einem Gastkommentar eingeladen, um diese Thematik aus juristischer Sicht zu beleuchten.

COVID-19: Wie krisenfest sind Finanzierungen?

Viele Unternehmen werden zurzeit durch das Coronavirus (COVID-19) vor große Herausforderungen gestellt. Durch betriebliche Einschränkungen ist auch an die Auswirkungen auf Finanzierungen zu denken: So könnten Lieferausfälle dazu führen, dass Kunden keine Zahlungen mehr an ihre Lieferanten leisten, was wiederum den Cash Flow des Lieferanten beeinträchtigen und zu Zahlungsschwierigkeiten führen kann. Darüber hinaus könnten betriebliche Schwierigkeiten die Einhaltung vereinbarter Finanzkennzahlen vorübergehend zumindest erschweren oder sogar unmöglich machen. Zugesagte, aber noch nicht zugezählte Mittel stehen möglicherweise nicht zur Verfügung. Vorausschauende Krisenplanung, rechtzeitige Prüfung bestehender Finanzierungsverträge und erforderlichenfalls zeitgerechte Gespräche mit den finanzierenden Banken sind daher anzuraten.

1. Bestehende Finanzierungsverträge

1.1. COVID-19 als Höhere Gewalt (Force Majeure)

Vor allem internationale Verträge enthalten häufig eine Bestimmung über „Höhere Gewalt“ (Force-Majeure Klausel). Übliche Rechtsfolgen bei Eintritt eines Ereignisses Höherer Gewalt sind Verständigungspflichten, Rücktrittsrechte, Entfall der Leistungspflichten sowie Haftungsausschlüsse. Ob die Verbreitung des Coronavirus und die damit einher-gehenden (staatlichen) Beschränkungen als Höhere Gewalt zu qualifizieren sind, hängt typischerweise von der konkreten vertraglichen Ausgestaltung der Force-Majeure-Klausel und den konkreten betrieblichen Auswirkungen ab. Werden ihre Anwendung bejaht, ist zu evaluieren, ob wechselseitige Rechte und Pflichten (insbesondere Informations- und Warnpflichten) unmittelbar greifen und ob für wechselseitige Leistungsausfälle aus strategischer Sicht Maßnahmen zu treffen sind.
Auch Vertragsbeziehungen ohne ausdrücklich vereinbarte Force-Majeure-Klausel können von der Verbreitung des Coronavirus betroffen sein. Ob es dabei zu rechtlichen Abweichungen in den vertraglichen Pflichten kommen kann, ist zunächst nach dem auf den Vertrag anwendbaren Recht zu beurteilen.
Im österreichischen Recht gibt es keine allgemein gültige Legaldefinition des Begriffs „Höhere Gewalt“ (wenngleich höchstgerichtliche Rechtsprechung für bestimmte Fälle einen Rahmen vorgibt) und keinen allgemein gültigen Grundsatz, wonach höhere Gewalt von Leistungspflichten entbindet. In den meisten Fällen ist daher auf bestehende Rechtsinstitute (vor allem nachträgliche Unmöglichkeit und Wegfall der Geschäftsgrundlage) sowie auf allgemeine Grundsätze des österreichischen Zivilrechts zurückzugreifen.
In Finanzierungsverträgen finden sich üblicherweise keine „Force Majeure“-Klauseln und auch sonst ist es bei Finanzierungsverträgen sehr unwahrscheinlich, dass sich der Kreditnehmer auf einen Fall der „Höheren Gewalt“ berufen und somit eine Kündigung oder Fälligstellung abwenden könnte. Das Gesetz sieht jedoch gewisse Beschränkungen des Kündigungsrechts des Kreditgebers vor. So sind etwa Vereinbarungen unwirksam, die dem Kreditgeber ein nicht an sachlich gerechtfertigte Gründe geknüpftes Recht zur vorzeitigen Kündigung einräumen.

1.2. Wesentliche Nachteilige Auswirkung / Material Adverse Change (MAC)

Anders ist es bei den sogenannten MAC-Klauseln, die in unterschiedlichsten Ausgestaltungsvarianten in Finanzierungsverträgen zu finden sind. Zusammengefasst beziehen sich diese auf Ereignisse oder Umstände, die gewisse wesentliche nachteilige Auswirkungen haben, so etwa in Bezug auf die Fähigkeit des Kreditnehmers, seinen Verpflichtungen unter den Finanzierungsverträgen nachzukommen oder allgemein auf die Geschäftstätigkeit, die Vermögens- Finanz- oder Ertragslage des Kreditnehmers (oder der Gruppe des Kreditnehmers). Bei Vorliegen eines derartigen Ereignisses oder Umstandes ist der Kreditgeber üblicherweise zur Kündigung des Finanzierungsvertrags berechtigt.
Ob die Folgen des Coronavirus eine wesentliche nachteilige Auswirkung iSd der jeweiligen MAC-Klausel darstellen, hängt einerseits von den konkreten Auswirkungen auf den Kreditnehmer (oder seine Gruppe) und andererseits von der Formulierung der zu beurteilenden MAC-Klausel ab. Dabei ist besonders zu beachten, dass einige MAC-Klauseln be-reits auf eine drohende wesentliche nachteilige Auswirkung abstellen. Allerdings gilt auch hier, dass der Kreditgeber den Finanzierungsvertrag nur aus sachlich gerechtfertigten Gründen kündigen kann.

1.3. Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers

Sofern nicht bereits der jeweilige Finanzierungsvertrag ein Kündigungsrecht des Kreditgebers für den Fall der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers vorsieht, berechtigen Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) von Banken (sofern anwendbar) den Kreditgeber üblicherweise zur Kündigung des Finanzierungsvertrags, wenn eine Verschlechterung oder Gefährdung der Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers oder eines Mitverpflichteten eintritt und dadurch die Erfüllung von Verbindlichkeiten gegenüber dem Kreditgeber gefährdet ist.
Führt daher die Ausbreitung von COVID-19 oder die zu dessen Eindämmung getroffenen Maßnahmen zu solchen Auswirkungen auf die Finanzlage des Kreditnehmers oder eines Mitverpflichteten und sehen entweder der Finanzierungsvertrag oder die AGB einen derartigen Kündigungsgrund vor, könnte dem Kreditgeber ein Kündigungsrecht zustehen.

1.4. Finanzkennzahlen

Häufig verpflichten Finanzierungsverträge den Kreditnehmer zur Einhaltung bestimmter Finanzkennzahlen (wie beispielsweise Schuldendienstdeckungsgrad oder Nettoverschuldungsquote). Diesen Finanzkennzahlen ist gemein-sam, dass eine Bezugsgröße beispielsweise dem EBITDA des Kreditnehmers (oder der Kreditnehmer-Gruppe) gegen-übergestellt wird. Sollten die Auswirkungen des Coronavirus zur Reduktion der Umsätze und / oder Erlöse des Kreditnehmers (oder seiner Gruppengesellschaften) führen, könnte die Einhaltung solcher Finanzkennzahlen gefährdet sein.
Neben einem allfälligen Kündigungsrecht des Kreditgebers bei einer Verletzung von Finanzkennzahlen kann die Höhe der Finanzkennzahlen auch einen Einfluss auf die Höhe der Kreditzinsen haben. Daher sollte geprüft werden, ob

  • Anpassungen oder Bereinigungen des EBITDA, beispielsweise aufgrund außerordentlicher Aufwendungen oder Einmaleffekten, vorgenommen werden können,
  • bestehende Puffer ausreichend sind, um Auswirkungen von COVID-19 abzufangen,
  • Auswirkungen von COVID-19 an zukünftigen Überprüfungsstichtagen bei backward looking Tests weiterhin die Finanzkennzahl(en) beeinflussen, und
  • Heilungsmöglichkeiten für die Nichteinhaltung solcher Finanzkennzahlen vereinbart wurden.

Wie schon eingangs bemerkt, besteht keine allgemeine Regelung, dass Bestimmungen über Finanzkennzahlen (oder andere Vertragsbestimmungen) in Fällen höherer Gewalt nicht angewendet werden. Daher sollten Kreditnehmer frühzeitig verschiedene Szenarien analysieren und vor einer (drohenden) Verletzung von Finanzkennzahlen proaktiv das Gespräch mit dem Kreditgeber suchen und Alternativen, wie einen (vorübergehenden) Verzicht des Kreditgebers auf die Einhaltung von Finanzkennzahlen oder eine Neufestsetzung der Finanzkennzahlen (das heißt eine Anpassung des Kreditvertrags) beantragen.

1.5. Sonstige Bestimmungen

Gerade in wirtschaftlich schwierigen und unsicheren Zeiten sollte besonders penibel darauf geachtet werden, wiederholte Zusicherungen und laufende Verpflichtungen einzuhalten.
Als Bankarbeitstage werden in Kreditverträgen grundsätzlich jene Tage bezeichnet, an denen Banken in den im Kreditvertrag angegebenen Orten für den allgemeinen Geschäftsverkehr geöffnet sind (und die auch TARGET2 Tage sind). Es ist momentan nicht absehbar, ob im Zuge der Corona-Krise Banken zeitweilig geschlossen werden. Auch erscheint es denkbar, dass außerordentliche Feiertage verordnet werden. Dadurch würden sich unter Umständen im Kreditvertrag vorgesehene Fristen verändern.

2. Zukünftige Kreditauszahlungen

Viele Finanzierungsverträge sehen vor, dass der Kreditgeber nur dann zur Auszahlung des Kredits verpflichtet ist, wenn kein Kündigungsgrund unter dem Finanzierungsvertrag vorliegt oder einzutreten droht. Könnte daher der Kreditgeber den Finanzierungsvertrag etwa aufgrund einer wesentlich nachteiligen Auswirkung kündigen, wäre er auch nicht verpflichtet (weitere) Auszahlungen vorzunehmen. Auch in Finanzierungszusagen finden sich oft vergleichbare Bestimmungen, wonach die Gewährung eines Kredits unter der Bedingung steht, dass keine wesentlich nachteilige Veränderung bis zum Abschluss des Kreditvertrags eintritt.

Aber auch wenn keine solchen Bestimmungen enthalten sind, könnte ein Kreditgeber nach den gesetzlichen Regelungen berechtigt sein, die Gewährung eines Kredits oder die Auszahlung des Kreditbetrags zu verweigern, wenn sich Umstände ergeben, die eine Verschlechterung der Vermögenslage des Kreditnehmers oder eine Entwertung bedungener Sicherheiten in einem solchen Ausmaß erweisen, dass die Rückzahlung des Kredits oder die Entrichtung der Zinsen selbst bei Verwertung der Sicherheiten gefährdet wäre.
Es empfiehlt sich daher, die Folgen von COVID-19 auf eine künftige Kreditgewährung oder Auszahlung bereits zugesagter Finanzierungen zu prüfen.
Auch sogenannte „Market Flex“-Bestimmungen in Syndizierungsschreiben oder einer Finanzierungszusage, die dem Arrangeur das Recht geben, kommerzielle (oder mitunter auch andere) Bedingungen zu verändern, bedürfen in Zeiten volatiler Finanzmärkte einer besonders genauen Überprüfung.

3. Praktische Empfehlungen

Sind Unternehmen bereits von den Folgen des Coronavirus betroffen oder ist dies absehbar, erscheint es ratsam, frühzeitig ein Gespräch mit den finanzierenden Banken zu suchen. Dabei sollten die zu erwartende wirtschaftliche Lage des Unternehmens sowie die vom Unternehmen geplanten Maßnahmen offen und aktiv angesprochen wer-den, um das Vertrauen der Banken in das Krisenmanagement des Unternehmens zu stärken. Auch bedarf es für die Inanspruchnahme von staatlichen Unterstützungen in der Regel der Mitwirkung einer Geschäftsbank.

Hinweis: Dieser Beitrag stellt lediglich eine generelle Information und keineswegs eine Rechtsberatung von BINDER GRÖSSWANG Rechtsanwälte GmbH dar. Er kann eine individuelle Rechtsberatung nicht ersetzen. BINDER GRÖSSWANG Rechtsanwälte GmbH übernimmt keine Haftung, gleich welcher Art, für Inhalt oder Richtigkeit des Beitrags.

Finanzierungen in Zeiten von Krisen

Independent Capital unterstützt seine Kunden derzeit so-wohl beim Abschluss Kontrollbank-unterstützter Fazilitäten als auch bei der Platzierung von Schuldscheindarlehen und Krediten unter den veränderten Rahmenbedingungen. Auch wenn aktuell der Finanzierungsfokus auf Liquiditätssicherheit gelegt wird, müssen bei den Verhandlungen das Geschäftsmodell des Unternehmens beachtet und möglichst mit der, in diesen Zeiten bestmöglich abschätzbaren Finanzierungsstrategie in Einklang gesetzt werden, um für den Aufschwung nach der Krise bestmöglich aufgestellt zu sein.

Leistungen der Independent Capital

Das Team von Independent Capital kann aufgrund seiner jahrzehntelangen Erfahrung und Expertise im Banken- und Kapitalmarkt einen wertvollen Beitrag zur Bewältigung dieser finanzierungsbezogenen Krisensituation leisten und ist mit seinem umfangreichen Netzwerk der ideale Partner für sämtliche Finanzierungsanliegen.
Aufgrund seiner Querschnittsfunktion und der langjährigen Tätigkeit verfügt Independent Capital über einen breiten Überblick über den Banken- und Kapitalmarkt und die sich aktuell ergebenden Veränderungen in den Finanzierungsbedingungen bzw. Anpassungen bestehender Finanzierungen. Im Rahmen unserer wirtschaftlichen Finanzierungsanalyse stehen wir unseren Kunden für die fundierte, wirtschaftliche Beurteilung der bestehenden Finanzierungen jederzeit zur Verfügung.
Insbesondere im Hinblick auf die bevorstehenden Bank- und Investorengespräche während der aktuellen Situation, als auch nach der Krise, unterstützt Independent Capital seine Kunden mit wertvollen Anregungen bei der Vorbereitung auf ebendiese Gespräche. Auch bei der Nachverhandlung bestehender Finanzierungen sowie bei der Anpassung der Finanzierungsbedingungen auf geänderte Unternehmensprognosen steuert Independent Capital aktiv den Prozess und kann, aufgrund seines breitgefächerten Netzwerks und dem direkten Zugang zu Entscheidungsträgern, sowohl bei nationalen als auch internationalen Instituten, zur Transaktionssicherheit und damit zur Liquiditätssicherheit in diesen schwierigen Zeiten maßgeblich beitragen.

Im Zusammenhang mit diesem Newsletter sind wir an einem Feedback unserer Geschäftspartner und Kunden interessiert. Ihre Kommentare sind unter office@independentcapital.at willkommen.

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