Sehr geehrte Geschäftspartner! Liebe Kunden!
Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit unseren Kunden und unsere langjährige Banken- und Kapitalmarkterfahrungen zeigen uns, mit welchen Herausforderungen österreichische Familienunternehmen mit den zunehmenden Erfordernissen zur Stärkung ihres Eigenkapitals konfrontiert werden. Dies hat uns in diesem Newsletter dazu veranlasst, die bereits bestehenden Möglichkeiten zur Eigenkapitalaufnahme am Kapitalmarkt nicht nur in Österreich näher zu beleuchten, sondern auch nach Beispielen aus dem Ausland zu suchen, mit dem Ziel, eine Kapitalerhöhung über den Kapitalmarkt ohne Kontrollverlust über das Familienunternehmen durchzuführen. Unseren Newsletter widmen wir diesen Arten der Eigenkapitalfinanzierung.
Familienunternehmen: Börsengang vs. Kontrolle
Betrachtet man das österreichische Marktumfeld, dominieren unter den Unternehmen mit rund 90% die Familienunternehmen. Die besondere Bedeutung für die österreichische Wirtschaft zeigt sich darin, dass Familienunternehmen für 58% oder EUR 365 Milliarden der Umsätze der heimischen Wirtschaft verantwortlich sind und 67% aller Selbst- und Unselbständigen in Österreich beschäftigen. Im EU-Vergleich befindet sich Österreich damit (nach EU-Definition) unter den drei führenden Ländern.
Familienunternehmen sehen sich bei der Wachstumsfinanzierung mit dem Problem konfrontiert, dass ihr Eigenkapital nicht im gleichen Verhältnis wie der Umsatz zunimmt und eine geringere Eigenkapitalquote dem Unternehmen den Zugang zu Fremdkapital erschwert. Im Fokus weiterer Finanzierungsentscheidungen steht allerdings gleichzeitig das Ziel der Wahrung der Unabhängigkeit, um somit Einflussnahme von außen möglichst gering zu halten.
Der Zugang zum Kapitalmarkt in Form eines Börsengangs kann Familienunternehmen die Möglichkeit bieten, ihre Eigenkapitalbasis zu stärken, wodurch jedoch ein möglicher Kontrollverlust in Kauf genommen werden muss. Weiters offerieren Private Equity Fonds die Möglichkeit dem Familienunternehmen Eigenkapital bereitzustellen. Diese Art von Investoren strebt in der Regel die Mehrheit am Unternehmen an, um durch voranschreitendes Wachstum beim Exit größtmöglich vom Wertzuwachs zu profitieren. (siehe Independent Capital Newsletter 6, Juni 13)
Um einem Kontrollverlust zu umgehen, greifen Familienunternehmen bei der Wachstumsfinanzierung auch verstärkt auf alternative Finanzierungsinstrumente wie Mezzanin- und Hybridkapital zurück (siehe Independent Capital Newsletter 9, April 14 und Newsletter 11, Oktober 14). Die Möglichkeit, das Eigenkapital auf diese Weise zu stärken, stellt jedoch für das Unternehmen eine erhöhte Zinsbelastung bei meist nur teilweiser (buchmäßiger) Eigenkapitalstärkung dar.
Alternative Vorzugsaktien
Eine Möglichkeit die Kontrolle in Familienunternehmen trotz neuer Kapitalaufnahme zu behalten, sind Vorzugsaktien. Im Gegensatz zur Stimmrechtsaktie bietet die Vorzugsaktie die Möglichkeit, Aktien ohne Stimm-recht auszugeben. Folglich fehlt Vorzugsaktien das Mitspracherecht bei der Hauptversammlung und damit wird der Einfluss auf Unternehmen durch fremde Kapitalgeber eingeschränkt. Familienunternehmen können auf diese Art ihre Unabhängigkeit wahren und sich vor Übernahmeversuchen schützen.
Der „Vorzug“ dieser Art von Aktien gegenüber Stimmrechtsaktien spiegelt sich in der Regel in der erhöhten Beteiligung am Unternehmensgewinn wider. Hierbei wird Vorzugsaktionären eine gewisse Fixdividende zugesprochen, die mit einer Nachzahlungsverpflichtung versehen wird. Laut dem österreichischen Aktiengesetz ist es jedoch nur zulässig, Vorzugsaktien bis zu einem Drittel des Grundkapitals auszugeben, wodurch die erforderliche Kapitalaufbringung signifikant limitiert wird. Damit ist die Bedeutung dieser Aktie am Kapitalmarkt eher bescheiden.
Die Familien Porsche und Piëch haben den Einsatz von Vorzugsaktien zur Erhaltung der Kontrolle im Familien-unternehmen nach dem Börsengang bereits demonstriert. Das Grundkapital der Porsche Automobil Holding SE teilt sich in Stamm- und Vorzugsaktien, wobei die Familien Porsche und Piëch auch heute noch im alleinigen Besitz der Stammaktien sind.
Rechtsformen im Ausland für Familienunternehmen
1. Kommanditgesellschaft auf Aktien („KGaA“)
Diese Art von Unternehmensmodell ist im österreichischen Gesellschaftsrecht (noch) nicht anzufinden, wird jedoch in Deutschland seit Jahrzehnten praktiziert und einige KGaAs, wie Henkel, Merck, Fresenius und Hella, sind auch im DAX gelistet. Weitere Beispiele für die erfolgreiche Etablierung der Unternehmensform sind Jack Wolfskin und Merz Pharma.
Im Gegensatz zu einer Aktiengesellschaft ist bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien das Kontrollrecht des Unternehmens nicht an die Höhe der Kapitalbeteiligung gekoppelt. Es handelt sich hierbei zwar um eine Kapital-gesellschaft, die ebenfalls wie eine Aktiengesellschaft ein Startkapital von EUR 50.000 benötigt, jedoch verfügt die KGaA über einen persönlich haftenden Gesellschafter, der in der Regel eine GmbH oder AG ist. Der wesentliche Unterschied zur traditionellen KG ist jedoch, dass die Einlagen der Kommanditisten Aktien darstellen und die Bezeichnung Kommanditaktionäre dementsprechend verwendet wird. Auch weitere Elemente einer Aktien-gesellschaft lassen sich analog in der KGaA wiederfinden, es gibt Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung.
Die Gründerfamilien behalten selbst bei einem Minderheitsanteil am Grundkapital noch immer die Kontrolle über das Unternehmen. Dies ist auf die starke Stellung des Komplementärs zurückzuführen, der von der asymmetrischen Kontrollverteilung profitiert. Die Geschäftsführung obliegt alleinig dem Zuständigkeitsbereich des Komplementärs, dessen Befugnisse und Rechte in der Satzung der KGaA festgelegt sind. Darüber hinaus verfügt auch der Aufsichtsrat über ein eingeschränktes Kontrollrecht und hat keine Befugnisse bezüglich der Ernennung von Komplementären, der Ausgestaltung der Vertragsbedingungen der Komplementäre und der Festlegung von Verfahrens-vorschriften betreffend der Vorgangsweise des Managements.
Die Attraktivität dieses Unternehmensmodells für Familienunternehmen liegt vor allem in der stark differenzierten Einflussverteilung im Vergleich zur Aktiengesellschaft. Infolgedessen profitieren die Familienunternehmen durch den Zugang zum Kapital-markt durch die Ausgabe von Aktien, deren Stimmrecht aber nach der Satzung stark limitiert ist. Die Kommanditaktionäre andererseits verfügen über einen sehr beschränkten Einfluss auf die Geschäftsführung des Unternehmens, partizipieren jedoch voll an dessen wirtschaftlichem Erfolg.
2. Mehrstimmrechtsaktien
Ein andere Möglichkeit, die in Österreich (noch) nicht anzutreffen ist, sind Mehrstimmrechtsaktien nach dem Vorbild von beispielsweise skandinavischen Ländern. Hierbei handelt es sich um eine Art von stimmrechtlich bevorzugter Aktie, der durch die Satzung ein Mehrfachstimmrecht zugesprochen wird. Diese Aktien verfügen somit über eine stärkere Stimmrechtsgewichtung als der eigentlichen Kapitalbeteiligung am Unternehmen entspricht. In Schweden werden Mehrstimmrechtsaktien über eine „dual class share“ Struktur zugelassen. Dabei werden die Aktien in zwei Kategorien aufgeteilt, wobei der ersten Kategorie beispielsweise das Zehnfache, die maximale gesetzlich erlaubte Grenze, an Stimmrechten im Vergleich zur zweiten Kategorie zugesprochen werden kann.
Aufgrund dieser Regelung ist es für Familienunternehmen möglich, trotz eines Anteils am Grundkapital im einstelligen Bereich über die Stimmrechtsmehrheit und somit über die Kontrolle des Unternehmens zu verfügen. Daher können Kapitalerhöhungen über die Börse durchgeführt werden, ohne den beherrschenden Einfluss an fremde Investoren abzugeben. Das Familienunternehmen ist damit langfristig vor Übernahmen durch andere Kapitalmarktteilnehmer („Heuschrecken“) geschützt. Gleichzeitig profitieren Investoren davon, dass die Geschäftsführung des Unternehmens weiterhin dem Management oder der Gründerfamilie obliegt. Die Preisbildung dieser Art von Aktien erfolgt über den Kapitalmarkt.
Ein bekanntes Beispiel für die erfolgreiche Nutzung von Mehrstimmrechtsaktien ist die Familie Wallenberg. Diese hält Mehrstimmrechtsaktien an dem Investmentunternehmen Investor AB. Aufgrund dieser Konstellation war es der Familie Wallenberg möglich, die Kontrolle über die Investor AB auszuüben, die ihrerseits wieder über Aktien mit überproportionalem Stimmrecht an deren Tochterunternehmen verfügt. Auch Google und Facebook griffen bei deren jeweiligen Börsengängen an der New Yorker Stock Exchange auf die Möglichkeit von Mehrstimmrechtsaktien zurück.
Beitrag von Independent Capital
Aufgrund der umfangreichen Expertise und der multiperspektivischen Sichtweise von Independent Capital und unseres umfangreichen Netzwerks bei Banken, Investoren und anderen Kapitalmarktteilnehmern, sind wir in der Lage, alle Möglichkeiten der Eigenkapitalfinanzierung zum Vorteil der Familienunternehmen zu evaluieren. Ob und in welcher Form im Ausland praktizierte alternative Rechtsformen zum Börsengang von Familienunternehmen auch in Österreich umgesetzt werden sollen, bedarf weiterer Diskussion.
In diesem Zusammenhang wären wir sehr an einem Feedback unserer Geschäftspartner und Kunden interessiert. Ihre Kommentare sind unter office@independentcapital.at willkommen.